Forschung

Rock Fossils

Dr. Ben Thuy 

„Paläontologie hat sich für mich schon immer wie eine Schatzsuche angefühlt: man gräbt nach unbekannten Kreaturen, erforscht erloschene Welten und versucht, die großen Veränderungen der Welt im Laufe der Erdgeschichte zu begreifen. Aus der ganzen Bandbreite der möglichen Forschungsthemen habe ich mir die Schlangensterne und ihren Fossilbericht als meinen Hauptschwerpunkt ausgesucht. Schlangensterne sind marine Wirbellose aus der Verwandtschaft der Seesterne. Sie haben einen breiten aber bisher wenig beachteten Fossilbericht, was sie zur perfekten Spielwiese macht für spannende Entdeckungen und die Erforschung größerer Zusammenhänge, wie z.B. den Ursprung der Tiefseefauna.  
Ich habe einige fossile Schlangensterne nach meinen bevorzugten Bands und Musikern der Metal und Prog-Rock Szene benannt, um die verborgene Liebe zwischen Paläontologie und Rock Musik zu feiern. Beide Bereiche stellen mit großer Vorliebe das oberflächliche Selbstverständnis unseres Daseins in Frage und beide pflegen eine tiefe Begeisterung für das das Extreme, das Komplexe, das Unkonventionelle und natürlich die Unterwelt.  
Schlussendlich gibt es noch einen sehr persönlichen Grund: ich bin selbst Schlagzeuger in einer Metalband und erlebe immer wieder, dass ein gelungenes Konzert und das Erforschen unbekannter Welten das gleiche Gefühl von entfesselter Begeisterung gekoppelt mit tiefer Zufriedenheit auslösen. Mit den Metal und Prog Rock Fossilnamen kann ich beide Leidenschaften vereinen.“ 

Gregory D. Edgecombe 

„Meine Forschungen teilen sich auf in Studien von Fossilien und lebenden Tieren – und in Studien, die sich auf die Morphologie und auf molekularbiologische Daten stützen. Meine paläontologische Arbeit befasst sich hauptsächlich mit der frühen Evolution von Gliederfüßern und weiteren Tieren, die erstmals in der Kambrischen Explosion vor etwa 542 Millionen Jahren im Fossilreport auftauchen, Meine Arbeit an lebenden Tieren konzentriert sich hauptsächlich auf die Evolution und Taxonomie von Tausendfüßern. 
Geboren und aufgewachsen bin ich in Kanada, wo ich auch meine ersten paläontologischen Studien absolvierte. Meine erste veröffentlichte Forschungsarbeit betraf Trilobiten aus dem Silur (vor etwa 430 Millionen Jahren) im Norden Kanadas, und die meisten der nach Musikern benannten Arten stammen aus dieser Studie. 
Ich promovierte an der Columbia University in New York City, wo ich bei Niles Eldredge am American Museum of Natural History lernte und mich für Methoden zur Ableitung von Stammbäumen interessierte. Danach verbrachte ich 14 Jahre im Australian Museum in Sydney, wo ich mich auf die Systematik und die Zusammenhänge der australischen und anderer Tausendfüßer der südlichen Hemisphäre konzentrierte. 
Das Hauptthema meiner Forschung ist die Integration von Daten aus der Anatomie, molekularen Sequenzen und fossilen Aufzeichnungen, um Rückschlüsse auf die Beziehungen zwischen den Hauptgruppen der Arthropoden (Insekten, Tausendfüßer, Krebstiere, Spinnentiere) zu ziehen. Dies ist eine große Herausforderung, da Gliederfüßer etwa 80 % der Artenvielfalt aller lebenden Tiere ausmachen und über 520 Millionen Jahre im Fossilreport auftauchen. 
Ich bin nicht nur Paläontologe, sondern auch Bassist. Früher habe ich neue Arten nach Mitgliedern meiner Lieblingsbands wie AC/DC, The Ramones und The Sex Pistols benannt, weil es mir logisch erschien, eine Gruppe verwandter Formen gemeinsam zu benennen (z. B. vier Arten in einer Gattung, vier Mitglieder in einer Band), und weil ich dachte, dass dies meine älteren Kollegen ein wenig ärgern könnte. Jetzt bin ich selbst mittleren Alters, und obwohl ich immer noch denselben Fender-Bass spiele, verwende ich jetzt nüchterne Artnamen.“ 

Jingmai O’Connor 

„Mit meiner Forschung versuche ich, den Ursprung der Vögel zu verstehen, von dem wir heute mit großer Sicherheit sagen können, dass er bei den Dinosauriern liegt. 
Ich lebe und arbeite in China, dem Mekka der Dinosaurier-Paläontologie des 21. Jahrhunderts. In den letzten Jahrzehnten haben die Entdeckungen von gefiederten Dinosauriern aus dem Jura und von Vögeln aus der frühen Kreidezeit unser Verständnis der Vielfalt und der Biologie der Dinosaurier revolutioniert. Wir wissen aber immer noch nicht, welche Dinosaurierfamilie am engsten mit den heutigen Vögeln verwandt ist, wie sich der Flug entwickelt hat und weitere wichtige Fragen. Wir finden ständig neue bizarre Tiere mit vogelähnlichen Merkmalen oder Flugsaurier, die keine Vögel sind – es ist ein wirklich spannendes und dynamisches Arbeitsgebiet. 
Dank meines großen Bruders bin ich mit der Musik von Bad Religion aufgewachsen. Irgendwann während meines Studiums habe ich mich dann für ihre Musik begeistert – ich finde, die Texte haben eine sehr starke Botschaft. Wie die meisten Wissenschaftler habe ich obsessive Tendenzen, also recherchierte ich ein wenig und fand heraus, dass der Leadsänger Dr. Greg Graffin einen Master in Paläontologie und einen Doktortitel in Zoologie gemacht hatte und sogar als Freiwilliger im Naturkundemuseum von Los Angeles County gearbeitet hatte, wo ich ebenfalls Forschung betrieb. Ich beschloss sofort, dass ich eine Art nach ihm benennen wollte. 
Die Entdeckungsrate neuer Arten in China ist wirklich hoch, und manchmal ist es schwierig, gute Namen für neue Taxa zu finden. Es bedurfte jedoch einiger Versuche, meine eher konservativen chinesischen Mitautoren davon zu überzeugen, dass ich eine Art nach Greg Graffin von Bad Religion benennen darf.“ 

Kari A. Prassack

„In meiner Forschung versuche ich, das Verhalten und die Interaktionen ausgestorbener Tiere zu rekonstruieren und zu verstehen, wie alte Tiergemeinschaften als Reaktion auf Umweltveränderungen funktionierten. Ich konzentriere mich auf das Pliozän und das Pleistozän (vor 5,3 Millionen Jahren bis vor 11.700 Jahren), weil hier eine Mischung aus modernen Gattungen wie Phalacrocorax (Kormoran) und Lontra (Otter) neben fantastischen ausgestorbenen Tieren wie Riesenfaultieren und Säbelzahnkatzen vorkommen. Die meisten meiner Forschungsarbeiten haben sich mit pleistozänen Vögeln aus der Olduvai-Schlucht in Tansania befasst. 
Wie bin ich also dazu gekommen, einen fossilen Otter zu beschreiben? Ich hatte das Glück, im Hagerman Fossil Beds National Monument zu arbeiten, das mit Lontra weiri neun fossile Musteloid-Arten und mindestens zehn weitere fleischfressende Taxa aufweist, darunter zwei, die derzeit beschrieben werden. Lontra weiri ist ein kleiner Otter, der wahrscheinlich Vorfahre der nord- und südamerikanischen Flussotter der Gattung Lontra ist. Seine Artbezeichnung ist eine doppelte Etymologie (zwei Bedeutungen). Ein Wehr (Englisch: weir) ist eine Brücke, die dazu dient, Fische zu fangen. Das passt gut als Name für ein fischfressendes Tier. Weir wird hier jedoch zu Ehren des Gitarristen Bob Weir von Grateful Dead verwendet. 
Bevor ich Paläontologe wurde, folgte ich meiner Lieblingsband durch das ganze Land. Meinen Sinn für Abenteuer schreibe ich jenen Tagen zu, in denen ich aus dem Rucksack lebte und von Staat zu Staat reiste, um mit Tausenden anderer Deadheads die Nächte durchzutanzen. Die Verfolgung der Grateful Dead hat meinen Sinn für Abenteuer geschärft und mich dazu inspiriert, meiner anderen Leidenschaft zu folgen: der Paläontologie.“ 
 

Lea D. Numberger-Thuy 

„Die Schönheit und die faszinierenden Strategien der wirbellosen Lebewesen haben mich seit meinen frühen Jahren beeindruckt; Als neugieriges und hartnäckiges Kind war mein Weg in die Wissenschaft prädestiniert. Einige Jahre später grub ich im Boden und in den Bohrkernen nach wertvollen Mikrofossilien, immer mit guter und anregender Musik im Kopfhörer. Mein wissenschaftliches Interesse galt zunächst den Foraminiferen (Kammerlinge) als Klimaarchiven. Irgendwann stellte sich heraus, dass meine Schlammproben aus der Tiefsee nicht nur Foraminiferen enthielten, sondern auch winzige Teile von Seesternen, Seeigeln und ihren Verwandten. Damit öffnete sich buchstäblich die Büchse der Pandora, die eine Menge bisher unbekannter Arten hervorbrachte und die Stachelhäuter als Modellorganismen für die biologische Vielfalt der Tiefsee offenbarte. 
Wenn man Mikrofossilien sammelt und untersucht, braucht man im Grunde drei Dinge: Feinmotorik, Kaffee und gute Musik. Die Melodien, die lange Stunden vor meinem PC während der Tag- und Nachtschichten begleiteten, stecken mir noch immer in den Knochen. Einige Lieder sind darüber hinaus mit bestimmten Erinnerungen an Exkursionen oder Fahrten mit dem Forschungsschiff verbunden. 
Mein wissenschaftliches Leben, das muss ich gestehen, hat einen eigenen Soundtrack. Deshalb habe ich beschlossen, die für mich einflussreichsten Künstler und Gruppen zu ehren, um ihnen dafür zu danken, dass sie dabei geholfen haben, all die Bearbeitungen, Einreichungen, Abgabetermine und Prüfungen glücklich zu überstehen.“ 

Mats E. Eriksson 

„Meine Forschung konzentriert sich hauptsächlich auf die Biotope des frühen Paläozoikums (vor 541 – 416 Millionen Jahren) und ihre Beziehungen zu prähistorischen Umweltveränderungen. Dieses Zeitintervall umfasst einige der bedeutendsten evolutionären Ereignisse der Erdgeschichte, die die Weichen für das Leben, wie wir es kennen, gestellt haben. 
Ich arbeite hauptsächlich als Mikropaläontologe. Unser „Handwerkszeug“ besteht aus Fossilien im mikroskopischen Größenbereich, die in großer Zahl aus den sie umgebenden Gesteinen gewonnen werden. Anschließend werden diese Fossilien untersucht, um uns zu helfen, die alten Ökosysteme zu beschreiben und zu verstehen. 
Eines meiner Lieblingsforschungsgebiete sind die frühen Fossilien von Polychaeten (Ringelwürmer). Wie in den heutigen Ozeanen bildeten diese Tiere einen bedeutenden Teil der wirbellosen Fauna in früheren Meeresumgebungen. Viele Polychaeten sind mit einem komplexen Kieferapparat ausgestattet, der zum Jagen und Graben im Meeresboden verwendet wird. Der Körper dieser Würmer besteht hauptsächlich aus weichem Gewebe, das nur sehr selten versteinert, aber ihre Kiefer (so genannte Scolecodonten) sind sehr widerstandsfähig und können in großer Zahl als Fossilien gefunden werden. Obwohl sie nur bis zu einigen Millimetern groß sind, unterscheiden sie sich von Art zu Art erheblich und ermöglichen sehr detaillierte Analysen. Trotz ihres großen Vorkommens und ihrer Vielfalt in den geologischen Aufzeichnungen ist diese Gruppe von Fossilien im Vergleich zu vielen anderen Fossiliengruppen nicht sehr bekannt. Positiv ist jedoch, dass dies die Möglichkeit eröffnet, eine Vielzahl von Fragestellungen zu erforschen und neue Entdeckungen zu machen, einschließlich der Beschreibung und Benennung von Taxa, die für die Wissenschaft neu sind. 
Die Nomenklatur ist die Wissenschaft von der Benennung von Organismen und für die Biologie und Paläontologie von größter Bedeutung. Obwohl die Nomenklatur zugegebenermaßen normalerweise ein eher langweiliges Gebiet ist, bietet sie doch Möglichkeiten der Kreativität und des Vergnügens. Im Fall von Kalloprion kilmisteri und Kingnites diamondi hatte ich die reizvolle Gelegenheit, zwei meiner größten Leidenschaften im Leben zu verbinden: Paläontologie und Heavy Metal. 
Es war eine leichte Entscheidung, diese längst ausgestorbenen Polychaeten nach zwei legendären Musikern zu benennen: dem Godfather of Rock’n’Roll, Lemmy Kilmister von Motörhead, und dem dänischen Metal-Maestro King Diamond. Damit haben sie nicht nur einen festen Platz in der Geschichte der Heavy-Metal-Musik, sondern auch einen bleibenden Eindruck in der Wissenschaft hinterlassen.“ 

Esben Horn 

„Als die Ausstellung „Rock Fossils on Tour“ 2013 im Geomuseum Faxe eröffnet wurde, bestand sie aus zwei Modellen und einer Handvoll Postern. Ich liebe Heavy Metal, und ich liebe es, paläontologische Rekonstruktionen zu machen, also war es sinnvoll, daraus eine richtige Ausstellung zu machen. Eines der Modelle stellte den silurischen Borstenwurm Kingnites diamondi dar. Da King Diamond am Tag nach der Ausstellungseröffnung im Copenhell spielen sollte, nahm er an der Ausstellungseröffnung teil. Die Geschichte verbreitete sich in den sozialen Medien. Was eigentlich ein kleiner, einmaliger Auftritt sein sollte, wurde von einem Museum zum nächsten weitergegeben. Bei jedem neuen Auftritt gab es ein neues Modell, und die Ausstellung ist nun schon seit neun Jahren unterwegs, und wir zählen immer weiter … 
Die Kombination aus meiner Leidenschaft für Heavy-Metal-Musik und dem Modellbau hat „Rock Fossils“ zu etwas Besonderem gemacht. Außerdem hatte ich Kontakt zu meinen Vorbildern aus der Rockmusik und der Paläontologie. „Rock Fossils on Tour“ repräsentiert also Art’n’Science vom Feinsten.“ 

Ursula Menkveld-Gfeller 

„Meine Forschung dreht sich um wirbellose Fossilien, wobei ich mich auf eine eher angewandte Art der Paläontologie konzentriere. Auf Grundlage großer Foraminiferen kann ich das Alter von Gesteinsabfolgen in den Alpen bestimmen. Diese Methode erlaubt es, stratigraphische Abfolgen nicht nur zu datieren, sondern auch voneinander zu unterscheiden, wenn sie in gestörtem Zustand gefunden werden. 
Jurassische Seeigel haben aber auch meine Aufmerksamkeit im Zusammenhang mit den jüngsten Ereignissen geweckt. Angeregt durch die ungewöhnliche Ausstellung „Rock Fossils“ lag es nahe, eine neu entdeckte Seeigelart aus dem Jura nach der keltischen Metalband Eluveitie zu benennen. Das klingt in den Texten von Eluveitie an, die die keltische Ära der Schweiz beschreiben – sogar der Name des Gebirges und die danach benannte geologische Periode sind keltischen Ursprungs und gehen auf den Namen Jor zurück. Mit anderen Worten: Die kulturellen Wurzeln der Schweiz reichen bis in die Erdgeschichte zurück!“ 

Dr. Peter Jäger

„Seit ich 5 Jahre bin, interessiere ich mich für Spinnen. Von Spinnenbeobachtungen über die Haltung und Zucht von heimischen und exotischen Spinnen bin ich dann zur Wissenschaft gekommen. Meine Forschungsreisen in Asien fördern immer wieder unbeschriebene Arten zutage. Bisher habe ich über 400 neue Spinnenarten beschrieben, vor allem Riesenkrabbenspinnen. Beim Benennen kann man als Wissenschaftler seiner Fantasie freien Lauf lassen, natürlich nur innerhalb der nomenklatorischen Regeln.

Dabei versuche ich, mit der Benennung auch auf Missstände in den natürlichen Lebensräumen hinzuweisen. Heteropoda davidbowie zum Beispiel wurde begleitet mit einer Mitteilung, dass Wälder in Südostasien zugunsten von Palmölplantagen unwiederbringlich vernichtet werden. In derselben Publikation benannte ich Arten nach Nina Hagen und Udo Lindenberg. Eine Spinnengattung von Madagaskar widmete ich Greta Thunberg mit den Artnamen Thunberga greta, Thunberga malala and Thunberga boyanslat. Indem ich diese jungen und vielversprechenden Erdenbürger ehrte, drückte ich gleichzeitig meine Hoffnung auf eine besserer Zukunft aus.“