Urbane Vielfalt zum Niederknien: Aufruf zur bundesweiten #Krautschau gegen Pflanzenblindheit


An das letzte Tier, das sie gesehen haben, erinnern sich die meisten Menschen. Aber wie ist das bei der letzten Pflanze? Viele nehmen Pflanzen, wenn überhaupt, nur als grünen Hintergrund oder Straßenbegleitgrün wahr. Die Stadtbotanik-Aktion #Krautschau soll jetzt mit einem bundesweiten Aktionstag am 17. Juli mehr Bewusstsein für die Präsenz von Wildpflanzen im urbanen Raum und für die Bedeutung von Natur in den Städten schaffen. Die Aktion wird von Senckenbergerin Julia Krohmer gemeinsam mit Alexandra-Maria Klein von der Universität Freiburg koordiniert.

Pflanzen tragen insbesondere in Städten – durch ihre abkühlende Wirkung –  zur Minderung der Folgen des Klimawandels bei. „Daher sollten wir gerade  hier die vorhandene Flora kennen und schätzen!“, meint Dr. Julia Krohmer von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und fährt fort: „Und zwar nicht nur die Bäume und Parks. Denn wer hinschaut, findet sogar in unseren von Beton und Asphalt geprägten Innenstädten überall Pflanzen. Winziges, zähes Grün wächst fast überall, zwischen Pflastersteinen, in Rinnsteinfugen und Mauerritzen. Und eben nicht nur Grün, sondern eine Vielzahl von Kräutern, Gräsern und Moosen.“

In Deutschland haben sich ca. 500 Arten an diese extremen Bedingungen angepasst und stellen, in dem sie Tritt- und Fahrbelastung, Hitze, Bodenverdichtung und Verschmutzung trotzen, wertvolle Mikro-Ökosysteme für zahlreiche Insekten und andere Organismen dar.

„Auch für uns Menschen haben sie einen nicht zu unterschätzenden Nutzen: Ein dichter Bewuchs in den Fugen des Kopfsteinpflasters erhöht dessen Festigkeit; grüne Fugen nehmen Oberflächenwasser auf, erhöhen die Versickerung und binden Staub. Zudem haben Wildpflanzen in der Stadt eine große Bedeutung für das städtische Ökosystem, indem sie anderen Organismen wie Wildbienen Schutz und Nahrung bieten. Außerdem sind sie, spätestens auf den zweiten Blick, auch schön, nicht nur durch ihre Blüten, sondern auch die Formenvielfalt ihrer Blätter“, ergänzt Prof. Dr. Alexandra-Maria Klein von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

Die #Krautschau hat zum Ziel, mehr Menschen zum Hinschauen und zur Wahrnehmung der oft übersehenen kleinen Wildpflanzen in den Städten zu bewegen. Die Aktion ist eine Grassroot-Bewegung von Botaniker*innen und Pflanzenfans und entstand als Reaktion auf das weit verbreite Phänomen der „Plant Blindness“ (Pflanzenblindheit). Dies bezeichnet die Unfähigkeit, die Pflanzen in der eigenen Umgebung detailliert wahrzunehmen. Die Aktion kam aus Frankreich über England nach Deutschland. In den sozialen Medien, vor allem auf Twitter und Instagram, etablierte sich Aktion unter den Hashtags #Krautschau und #MehrAlsUnkraut. Konkret werden bei der #Krautschau städtische Pflanzen auf Gehwegen, in Mauerritzen oder Pflasterfugen mit bunter Kreide gekennzeichnet und fotografiert; die Fotos werden anschließend in den sozialen Netzwerken geteilt – so erhalten die „pflanzlichen Kämpfernaturen“ vor Ort und im Netz Aufmerksamkeit. Pflanzenbestimmungsapps wie FloraIncognita helfen auch Nichtbotaniker*innen bei der Bestimmung dieser Kleinstflora. „Bei dieser Vielfalt geht man zwangsläufig in die Knie: bedingt durch ihren Wuchsort, aber auch vor Bewunderung für diese omnipräsenten Überlebenskünstlerinnen“, fügt Krohmer hinzu.

An der bundesweiten Aktion, die erstmals in dieser Form stattfindet, beteiligen sich neben Senckenberg und der Universität Freiburg etliche Institutionen und Botaniker*innen in mehreren deutschen Städten – weitere können sich noch anmelden!

Ein Übersicht aller Treffpunkte und Zeiten findet sich unter https://www.senckenberg.de/krautschau.

Veranstaltung: #Krautschau: Was wächst eigentlich in der Stadt?

Datum: Samstag, 17. Juli

Ort: bundesweit; Übersicht aller Treffpunkte und Zeiten siehe https://www.senckenberg.de/krautschau

Bei den einzelnen Veranstaltungen wird die Einhaltung der dann jeweils geltenden Corona-Hygienevorschriften gewährleistet.

Pressematerial

Krautschau

Einladung zur #Krautschau. Copyright: Alexandra-Maria Klein

Krautschau

Der Stadt in die Ritzen geschaut. Foto: Senckenberg