PM Maria Loboda The Machine

Maria Loboda: The Machine

Vom 31. März bis 16. Juli 2023 zeigt das Senckenberg Naturmuseum Frankfurt ein Projekt der Künstlerin Maria Loboda.


Das Senckenberg Naturmuseum Frankfurt eröffnet heute ein neues Ausstellungsprojekt der Künstlerin Maria Loboda. Im Mittelpunkt steht ihr erster Film „The Machine“, in dem ein artesischer Brunnen, der ohne technische Hilfe sprudelt, die Hauptrolle spielt. Im Maschinenzeitalter erhalten diese Brunnen eine besondere Aufmerksamkeit: Sie schaffen auf natürliche Weise ein „Wassertheater“, das sonst nur mit großem maschinellen Aufwand herstellbar wäre. Auch in der industriell überformten Landschaft der Grube Messel steht merkwürdigerweise ein solcher Brunnen. Lobodas Film beschreibt eine fantastische Reise von Messel und dem Zeitalter des Eozäns, der „Morgenröte“ vor 50 Millionen Jahren, über die Maschinen des 18. und 19. Jahrhunderts bis hin zu heutigen Forschungslaboren und neuen Ablagerungen, dem sogenannten „Plastiglomerat“.

Maria Loboda besuchte im Laufe ihres Projekts mehrfach die UNESCO-Welterbestätte Grube Messel und tauschte sich mit den Messel-Forscher*innen der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung aus. Sie entdeckte auf dem Gelände der Fossillagerstätte einen artesischen Brunnen, der für die Forschungen in der Grube eher von untergeordnetem Interesse ist und in einem eigenartigen Kontrast zu Ort und Fossilien steht. Die Installationskünstlerin recherchierte die Geschichte der Grube Messel, ihre Bedeutung für Paläontologie, Paläoökosystemforschung und Paläoklimaforschung sowie die Historie des Brunnens. Der Film „The Machine“ ist das Ergebnis ihrer künstlerischen Forschung. Er verbindet in einer fiktiven Geschichte alle genannten Bereiche und setzt ein Augenmerk auf die menschlichen Konstruktionen von Welt und Umwelt, Wissenschaft, Technik und Kunst.

„Maria Loboda eröffnet uns eine künstlerische Perspektive und einen neuen Zugang zu der Geschichte und der Forschung der Grube Messel“, erklärt Museumsdirektorin Dr. Brigitte Franzen. „Dabei führt sie spielerisch in Wissenschaftswelten ein, weckt Neugier und kreiert zugleich eine fantastische Bildkraft, die wir für unsere Arbeit im Museum nutzen möchten“, fährt sie fort und ergänzt: „Künstlerische Sichtweisen, Forschungen und Bilder sind für das Naturmuseum der Zukunft ein wichtiges und ebenbürtiges Reservoir für experimentelles Denken – diese Brücke zu schlagen, bildet einen Schwerpunkt der Ausstellungen im Senckenberg Naturmuseum in diesem Jahr und wird die Museumsarbeit auch in den folgenden Jahren begleiten.“

Loboda ist mit „The Machine“ die erste Preisträgerin des Ottilie-Roederstein-Stipendiums des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst. Staatssekretärin Ayse Asar würdigt ihre Arbeit: „Kunst und Kultur brauchen alle klugen und kreativen Köpfe, um unsere Gesellschaft zu bereichern und voranzubringen – erst recht den weiblichen Blick. Das wollen wir mit den Ottilie-Roederstein-Stipendien unterstützen. Maria Loboda war eine unserer beiden ersten Hauptstipendiatinnen; ihr Projekt bringt den Diskurs um Archäologie, Geschichtserzählung und Kritik gegenüber vorgegebenen Strukturen zum Ausdruck. Ich freue mich, dass sie ihre Kunst nun einer breiten Öffentlichkeit zeigen kann – und dass die UNESCO-Welterbestätte Grube Messel als weltweit einzigartiges Fenster in die Urzeit im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht. So werden Wissenschaft und Kunst auf spannende und auch surreale Weise miteinander verknüpft.“

Im Film verarbeitet Maria Loboda, die sich selbst auch als Gegenwartsarchäologin bezeichnet, ihre Erfahrungen und Überlegungen zur Fossilfundstätte Messel und zu dem Erdzeitalter des Eozäns. Aus dieser Zeit stammen die weltweit berühmten Messel-Fossilien wie das Urpferd, viele Säugetiere und Primaten, Fische, Insekten, Pflanzen und Reptilien. Der Erhaltungszustand der Messel-Fossilien ist ungewöhnlioch gut und umfasst auch Mageninhalt und Weichkörperumrisse wie Fell und Federn, was die Fundstelle so außerordentlich bedeutsam macht. Für die Paläontologie und die Erforschung vergangener Ökosysteme ist der Ort weltweit einzigartig. Zudem sind die politischen Entwicklungen, von den Plänen aus der Grube eine Mülldeponie zu machen, bis hin zu deren Unterschutzstellung als UNESCO-Welterbe 1995, bemerkenswert.

Seit fast 50 Jahren graben Wissenschaftler*innen der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung zusammen mit ihren internationalen Partner*innen in Messel und erforschen die Funde und die Geobiodiversität des Ortes. Im Zuge einer Forschungsbohrung sprudelt seit 2001 aus einem Bohrloch aufgrund besonderer geologischer Gegebenheiten Grundwasser aus dem Boden. Dies geschieht ganz ohne die Kraft von Pumpen, sondern einzig durch den Druck des Wassers. Um den Wasserfluss zu bändigen, wurde dort ein artesischer Brunnen errichtet.

 „Die wissenschaftliche Bedeutung der Grube Messel hat mich zunächst eingeschüchtert“, beschreibt Maria Loboda ihren Schaffensprozess. „Ich habe mich bewusst für den artesischen Brunnen als Hauptcharakter meines Films entschieden, da er selbst nicht Gegenstand der Messel-Forschung ist. Er ist für mich auf andere Weise mit der Forschung verbunden: Das Bild dieses Brunnens, der weder zu- noch abnimmt und fortwährend sprudelt, ist eine Metapher für die Wissenschaft und die niemals endende Neugier“, führt Loboda aus. „Für meine künstlerische Arbeit habe ich eine eigene, unkonventionelle Forschung betrieben, verweile in einer poetischen Parallelwelt und trage meine eigenen surrealen Studien hierzu bei“, erläutert die Künstlerin das Konzept ihres Werks.

Der Film startet mit Wasser, das aus dem artesischen Brunnen sprudelt. Dem Wasserrohr folgend, werden die Betrachtenden in den Untergrund geführt und landen in einer historisch anmutenden Maschinenhalle mit riesigen Schwungrädern. Weiter dem Strahl des Wassers folgend, erreichen sie die Zeit des Eozäns vor etwa 50 Millionen Jahren und kommen danach über eine Müllhalde in ein modernes Forschungslabor. Eine Zikade – ebenfalls ein Fossil aus den Gesteinsschichten der Grube Messel – reist im Film aus der Urzeit mit und führt durch ein Forschungslabor, wo sie sich selbst in einem Mikroskop betrachtet. Schließlich geht es zurück in die Gegenwart, in den stillgelegten Schiefer-Tagebau von Messel. Hier kommt eine neue, anthropogene Sedimentsschicht – das „Plastiglomerat“ – zum Vorschein, aus welcher der artesische Brunnen weiter sprudelt. „The Machine“ schließt mit einem zeitkritischen Bild: Das Sediment des Anthropozäns, das von der Künstlerin entwickelte „Plastiglomerat“, besteht aus zerschmolzenem Kunststoff-Müll. Mit einem Augenzwinkern entführt nun eine Cola-Dose in die Welt und Zeit der anthropogenen Ablagerung und ein neuer Brunnen entsteht.

Dieses Bild greift Loboda auch in der Gestaltung des Raumes auf. Im Kinoraum befinden sich Mülltonnen gefüllt mit „Plastiglomeraten“. So wird der im Zuge der Ausstellung neu gestaltete Kinoraum des Frankfurter Naturmuseums selbst Teil ihrer Installation. Filmzuschauer*innen sitzen wortwörtlich im Inneren der Maschine, mitten in der technischen Zeichnung einer komplexen hydraulischen Konstruktion.

Ein wichtiges Element der Videoinstallation bildet der Soundtrack der Komponistin Leona Jacewska. Er begleitet die Zuschauer*innen in verborgene Welten, setzt Akzente und Verbindungen zwischen den einzelnen Elementen, und zieht sie magisch in die Szenerie hinein.

Der Film und die Installation sind der Auftakt einer Reihe von Ausstellungen und Veranstaltungen, die den Blickwinkel von Künstler*innen auf die Naturwissenschaften und die Natur zeigen. Auf Maria Lobodas Arbeit folgen 2023 weitere Highlights zeitgenössischer und historischer „forschender“ Künstler*innen mit Projekten von Pınar Yoldaş, Maria Sibylla Merian, Elisabeth Schultz, Ulrike Crespo, Linda Weiß und Nina Queissner.

Senckenberg Naturmuseum Frankfurt, Senckenberganlage 25, 60325 Frankfurt am Main. Kombitickets: 12 Euro für Erwachsene, 6 Euro für Kinder und Jugendliche (6 bis 15 Jahre) sowie 30 Euro für Familien (2 Erwachsene und bis zu 3 Kinder). Öffnungszeiten: Mo, Di, Do, Fr 9 – 17 Uhr, Mi 9 – 20 Uhr, Sa, So und Feiertage 9 – 18 Uhr.

Pressematerial

PM Maria Loboda The Machine

Maria Lobodas Film „The Machine“ ist eine fantastische Reise vom Zeitalter des Eozäns bis in die Gegenwart. Im Mittelpunkt des Films steht ein artesischer Brunnen, der ohne technische Hilfe sprudelt.

Film-Still „The Machine”

Copyright: Maria Loboda

PM Maria Loboda The Machine

Eine Zikade – ebenfalls ein Fossil aus den Gesteinsschichten der Grube Messel – reist im Film aus der Urzeit mit und führt durch ein Forschungslabor, wo sie sich selbst in einem Mikroskop betrachtet. Die Zikade ist auch in der Gestaltung des Raumes wiederzufinden.

Foto: Senckenberg/Tränkner

PM Maria Loboda The Machine

„The Machine“ läuft im neu gestalteten Kinoraum des Museums. Filmzuschauer*innen sitzen hier wortwörtlich im Inneren der Maschine, mitten in der technischen Zeichnung einer komplexen hydraulischen Konstruktion.

Foto: Senckenberg/Tränkner

PM Maria Loboda The Machine

In Film und Installation zu finden: Maria Lobodas „Plastiglomerat“. Es tritt als Material aus der Zukunft auf und verbindet die jüngste Geschichte der heutigen UNESCO-Welterbestätte Grube Messel, die in ihrer Vergangenheit zu einer Mülldeponie hatte werden sollen, mit der Frage nach zukünftigen, aus Plastik bestehenden Erdschichten.

Foto: Senckenberg/Tränkner

PM Maria Loboda The Machine

Zwei Mülleimer gefüllt mit Plastiglomerat …

PM Maria Loboda The Machine

… stehen am Eingang des Senckenberg-Kinos.

Fotos: Senckenberg/Tränkner

PM Maria Loboda The Machine

Das Sediment des Anthropozäns, das „Plastiglomerat“, besteht aus zerschmolzenem Kunststoff-Müll. Foto: Senckenberg / Tränkner

PM Maria Loboda The Machine

Plastiglomerat von Maria Loboda

Foto: Senckenberg / Tränkner