Gemeinsam Forschen für den Jaguar

Citizen-Science-Projekt WildLIVE! verzeichnet eine Million klassifizierte Kamerafallen-Fotos und erhält Auszeichnung


Im Rahmen des Senckenberg-Projekts WildLIVE! ermöglichen Bürgerwissenschaftler*innen die Auswertung von Kamerafallen-Fotos und damit die Langzeitbeobachtung von Wildtieren im östlichen Bolivien. Beim Aufspüren von Jaguar, Tapir, Ozelot und vielen anderen Säugetierarten wurde nun das millionste Foto klassifiziert. Eine neue Studie auf Grundlage des entstandenen Datensatzes zeigt am Beispiel der Jaguar-Populationen wie die fortschreitende Lebensraumzerstörung die Artenvielfalt in der Region bedroht. Für die Möglichkeit, von zu Hause aus zu Erforschung und Schutz der Wildtiere Boliviens beizutragen, verlieh die Plattform GoVolunteer dem WildLIVE!-Projekt das „Siegel für Ausgezeichnetes Engagement“.

Seit 2017 untersuchen Senckenberg-Wissenschaftler*innen in Kooperation mit der Forschungsstation Chiquitos in Bolivien die Säugetier-Populationen der Region. Etwa 50 Kamerafallen dokumentieren im Rahmen des Biomonitorings über 25 Säugetierarten – darunter Tapire, Ozelote, Pekaris (Wildschweine) sowie die großen Raubkatzen Jaguar und Puma. „Mit der Zeit entstehen so riesige Mengen von Fotos und Videos. Dieses Material kann niemand allein sichten, geschweige denn klassifizieren“, berichtet Projektleiter Dr. Martin Jansen vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und fährt fort: „Wir sind deshalb sehr dankbar, dass viele engagierte Bürgerwissenschaftler*innen uns bei der Auswertung der Bilddaten unterstützen.“ Das ist beim Projekt WildLIVE! von zu Hause aus möglich: Am heimischen Rechner können Fotos gesichtet und entsprechend gelabelt werden, wenn sie ein für das Biomonitoring relevantes Tier zeigen. „Wir haben gerade die Marke von einer Million Klassifizierungen erreicht! Das ist ein Wahnsinnserfolg“, freut sich Jansen.

Mit Hilfe des entstandenen Datensatzes konnte ein Forschungsteam um Jansen die Entwicklung von Jaguar-Populationen im östlichen Bolivien von 2017 bis 2019 untersuchen. Die nun im Fachjournal „Oryx“ erschienene Studie zeigt, wie der fortschreitende Verlust ihres Lebensraums die gefährdete Raubkatze in der Chiquitano-Region bedroht. Zu Beginn der Forschungsarbeit im Jahr 2017 war das 133 Quadratkilometer große, von gemischter Landnutzung mit extensiver Viehhaltung geprägte Gebiet noch zu 70 Prozent von dichten Wäldern bedeckt. Im Zeitraum bis 2021 wurden dann große Flächen abgeholzt und für die landwirtschaftliche Nutzung umgewandelt. Schätzungsweise 46 Quadratkilometer Wald wurden so zerstört oder schwer beschädigt. „Die Daten aus unseren Kamerafallen belegen, dass auch Gebiete, die zwar nicht unter Schutz stehen, aber intakte natürliche Lebensräumen bieten – insbesondere bewaldete Rinderfarmen – wichtige Habitate für Jaguare darstellen“, erläutert Jansen und weiter: „Auf gerodeten und dann für die Landwirtschaft genutzten Flächen wiederum haben wir keinen einzigen Jaguar gesichtet. Hier geht wichtiger Lebensraum vollständig verloren. Es ist dringend notwendig, dass private Landbesitzer*innen vor Ort für das Thema sensibilisiert und in Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt einbezogen werden. Lokale Institutionen und Nichtregierungsorganisationen sollten dafür Anreize schaffen – beispielsweise durch ein ‚Grünes Label‘ oder einen Biodiversitäts- Bonus – und den nachhaltigen Tourismus fördern.“

Um weitere Forschung zum Jaguar und anderen Wildtier-Populationen in Bolivien – und bald im Rahmen eines weiteren Projekts auch in Südafrika – möglich zu machen, bauen Jansen und sein Team auf die anhaltende Unterstützung engagierter Bürgerwissenschaftler*innen. „Interessierte sind jederzeit willkommen, sich auf unserer Website zu registrieren und bei der Bestimmung der Tiere zu helfen“, so Jansen.

Von der gemeinnützigen Organisation GoVolunteer erhielt WildLIVE! in diesem Jahr das Siegel für Ausgezeichnetes Engagement.

Weitere Informationen zu WildLIVE! auf der Website des Projekts:
https://wildlive.sgn.one

Publikation
Meißner, R., Blumer, M., Weiß, M., Beukes, M., Aramayo Ledezma, G., Condori Callisaya, Y., Jansen, M. (2023). Habitat destruction threatens jaguars in a mixed land- use region of eastern Bolivia. Oryx, 1-11. https://doi.org/10.1017/S0030605322001570

Pressematerial

Im Rahmen des Citizen-Science- Projekts WildLIVE! werten Bürgerwissenschaftler*innen Kamerafallen-Fotos bolivianischer Wildtiere aus – der Jaguar ist in der Region durch den Verlust seines Lebensraums stark bedroht. Foto: Senckenberg

Nasenbär

Beim Aufspüren von Tapir, Ozelot oder Ameisenbär wurde gerade die Marke von einer Million klassifizierter Fotos erreicht. Foto: Senckenberg