Eine italienische Schnecke erobert die Welt
Genetische Untersuchung offenbart Ursprung, Vielfalt und Verbreitungswege der invasiven Mittelmeer-Ackerschnecke
Invasive Arten sind oft wirtschaftlich bedeutende Schädlinge, können aber auch als Modell für das Studium natürlicher Arealvergrößerungen dienen. Senckenberg-Forschende haben mit einem australischen Kollegen anhand von genetischen Untersuchungen den Ursprung, die Verbreitungswege und das Expansionstempo der invasiven Nacktschneckenart Deroceras invadens erforscht. Die Ergebnisse verglichen sie mit historischen Daten zur Ausbreitung dieser Art. Die Studie erschien kürzlich im Fachjournal „Journal of Molluscan Studies“.
Erwachsene Deroceras invadens, Mittelmeer-Ackerschnecken, sind meist braun und etwa 3 Zentimeter lang. Am einfachsten sind die Schnecken unter Blumentöpfen und Abfall zu finden, sie können aber auch als Schädlinge in Acker- und Grasland auftreten und in natürliche Habitate eindringen. „Die Art wurde erstmals 1930, in England, wahrgenommen und ist seitdem in vielen Regionen der Welt häufig geworden, aber erst 2011 fand unser Team heraus, dass es sich um eine eigenständige Art handelt“, erklärt Dr. John Hutchinson vom Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz und fährt fort: „Wir wollten nun herausfinden, woher diese Art ursprünglich kommt, auf welchen Routen sie sich ausgebreitet hat und wieviel ihrer genetischen Diversität im Zuge der Kolonisierung übriggeblieben ist.“
Hierfür untersuchten die Görlitzer Wissenschaftler*innen DNA-Sequenzen von 380 Schnecken und analysierten Daten von 317 Populationen – von Neuseeland bis Norwegen und Vancouver und sogar von abgelegenen Ozeaninseln, wie Tristan da Cunha im Südatlantik. Hutchinson hierzu: „Unsere Daten zeigen deutlich, dass das Zentrum des ursprünglichen Verbreitungsgebietes der Schnecken in Süditalien liegt. Dort ist die genetische Diversität am höchsten und benachbarte Populationen sind genetisch ähnlicher, als weiter entfernte – dies ist typisch für etablierte natürliche Populationen“. Die Studie zeigt, dass außerhalb Italiens nur wenige genetische Varianten vorherrschend sind. Dennoch haben einige Jahrzehnte seit der Ankunft der Weichtiere ausgereicht, um mehrere neue Mutationen entstehen zu lassen. „Interessanterweise haben es einige der in Europa häufigsten Genvarianten nicht bis in die USA oder nach Australien geschafft, was darauf hinweist, dass deren strikte Einfuhrkontrollen funktionieren und wiederholte Einschleppungen verhindern“, ergänzt der Görlitzer Wissenschaftler.
Die Studie gibt einen Überblick über diverse Auswertungsmethoden von 41 ähnlichen genetischen Untersuchungen invasiver Landschnecken. Variationen der DNA lebender Populationen können sowohl Information zu ihrer Herkunft liefern als auch darüber, in welchem Zeitrahmen sie expandierten. Die Forschenden kommen zu dem Ergebnis, dass einige Standard-Methoden das dramatische Populationswachstum von Deroceras invadens während des letzten Jahrhunderts nicht detektieren können. Besonders hervorgehoben wird, dass eines der genetischen Auswertungsverfahren die Expansion der Schnecken zwar erfasste, aber deutlich zu weit in die Vergangenheit platzierte. Hutchinson resümiert: „Die Lösung für dieses Paradoxon könnte darin liegen, dass Evolutionsraten langsamer erscheinen, wenn sie über längere Zeitintervalle gemessen werden. Standardraten, die an Ereignissen von vor Jahrtausenden kalibriert wurden, sind nicht geeignet für jüngere Ausbreitungsereignisse. Das sollte unsere Interpretation demografischer Ereignisse vieler invasiver Arten beeinflussen!“
Publikation
John M C Hutchinson, Bettina Schlitt, Tereza Kořínková, Heike Reise, Gary M Barker, Genetic evidence illuminates the origin and global spread of the slug Deroceras invadens, Journal of Molluscan Studies, Volume 86, Issue 4, November 2020, Pages 306–322, https://doi.org/10.1093/mollus/eyaa016