Doppelte Bürde: Landnutzung und Klimawandel verändern Bergökosysteme gemeinsam
Die zunehmende Landnutzung in tropischen Bergregionen führt dazu, dass ihr Artenreichtum schrumpft und sich die Ökosysteme wandeln. Wie gravierend diese Veränderungen ausfallen, hängt stark von den Klimabedingungen ab. Zu diesem Ergebnis kommt eine große, internationale Studie am Kilimandscharo unter Leitung der Universität Würzburg, an der auch Wissenschaftler*innen des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums maßgeblich beteiligt waren. Wie sie im Fachjournal „Nature“ berichten, leiden die Ökosysteme mit extremen Klimabedingungen in den tiefen und hohen Berglagen besonders stark unter der Landnutzung.
Der Kilimandscharo – das Dach Afrikas – ist Lebensraum für rund eine Million Menschen, die an seinem Fuß und Hängen Mais, Bananen, Kaffee und vieles andere anbauen. Gleichzeitig ist der Berg ein Refugium der biologischen Vielfalt, welches durch die menschliche Landnutzung unter Druck gerät. Bislang war unklar, wie sich die Landnutzung auf die Artenvielfalt und Funktionalität tropischer Bergökosysteme, wie den Kilimandscharo, auswirkt.
Um das zu beantworten, hat eine 50-köpfige, internationale Forschergruppe acht Jahre lang die Artenvielfalt von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen sowie die damit verbundenen Ökosystemfunktionen am Südhang des Kilimandscharo untersucht. Die Studie, unter Leitung von Dr. Marcell Peters und Prof. Dr. Ingolf Steffan-Dewenter von der Universität Würzburg, ist im Hinblick auf die Anzahl der erfassten Artengruppen und ökologischen Funktionen sowie den erfassten Höhengradienten zwischen 850 und 4.550 Metern Höhe weltweit einzigartig.
„Insgesamt zeigen uns die Daten, dass Landnutzung am Kilimandscharo dazu führt, dass ein signifikanter Teil der Artenvielfalt verschwindet und sich Ökosystemfunktionen, wie beispielsweise Bestäubung oder Zersetzung von Laubstreu, stark verändern“, erklärt die Sprecherin der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschergruppe Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum und der Goethe-Universität. „Aber je nach Höhenlage und dem damit verbundenen Klima schwankt das Ausmaß dieser negativen Veränderungen.“
Besonders negativ wirkt sich die Landnutzung in Ökosystemen mit extremen Klimabedingungen wie der trockenen und warmen Savannenzone am Fuße des Kilimandscharo aus, in der überwiegend Mais angebaut wird. Hier verschwinden in Folge der Landnutzung bis zu 50 Prozent der Arten und die Mehrzahl der 30 untersuchten Ökosystemfunktionen wird empfindlich gestört.
Die Ökosysteme in mittleren Höhenlagen mit hohem Niederschlag und warmen Temperaturen sind dagegen weniger von der Landnutzung betroffen. Hier, wo am Kilimandscharo Kaffee, Bananen und viele andere Produkte oft in traditionellen Bewirtschaftungssystemen angebaut werden, gehen durch Landnutzung weniger Arten verloren und die Funktionalität des Ökosystems verändert sich in weitaus geringerem Maße als in der Savanne.
„Die Ergebnisse helfen uns besser zu verstehen, wie Landnutzung und Klima im Doppelpack die biologische Vielfalt von Bergökosystemen verändern. Zudem zeigen sie, dass man beide Faktoren nicht isoliert betrachten darf und sich zukünftig die Folgen von Klima- und Landnutzungswandel gegenseitig verstärken könnten“, kommentiert Böhning-Gaese.
Auf Basis der Daten der großangelegten Studie, so die Forschenden, könne man zudem dringend notwendige Strategien für eine nachhaltige Nutzung der Ökosysteme am Kilimandscharo entwickeln und umsetzen. Die kämen der einen Million Anwohner*innen zugute, die darauf angewiesen sind, dass die Natur auch in Zukunft die gewohnten Leistungen für ihr Leben erbringt.
Publikation: Peters, M. K. et al (2019): Climate-land-use interactions shape tropical mountain biodiversity and ecosystem functions. Nature, doi: 10.1038/s41586-019-1048-z