Biologische Vielfalt dokumentieren, schützen und nutzen

Land Hessen fördert LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik für weitere drei Jahre


Frankfurt, 19.01.2022. Biodiversität zeigt sich in der enormen Vielfalt der Lebewesen und ihren äußerst unterschiedlichen Formen und Funktionen. Diese Komplexität ist das Ergebnis von 3,5 Milliarden Jahren Evolution. Heute ermöglichen genomische Analysen von Organismen umfassende und neue Einblicke in die Entstehung und Entwicklung unserer Umwelt. So hat es sich das LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG) zum Ziel gesetzt, die genetische Basis der biologischen Vielfalt zu erschließen, um sie für die Grundlagen- und angewandte Forschung zu nutzen. Auch für den Schutz der Artenvielfalt ist es unumgänglich, diese zu erkennen, zu verstehen und zu dokumentieren.
Ab Januar 2022 fördert das Land Hessen das LOEWE-Zentrum TBG für weitere drei Jahre mit insgesamt rund 15,6 Millionen Euro. Hinzu kommt eine Förderung für Baumaßnahmen in Höhe von rund 2,6 Millionen Euro.

Die genomischen Grundlagen biologischer Vielfalt zu erforschen – das ist die Mission der Wissenschaftler*innen am LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik. Sie untersuchen Pflanzen und Tiere, Pilze und Flechten, um der Entwicklung und den Anpassungen nicht nur einzelner Gene und Arten, sondern auch gesamter Ökosysteme auf die Spur zu kommen. Während die in ihrer Bedeutung stark gewachsene Biodiversitätsforschung bisher überwiegend organismisch und ökologisch ausgerichtet ist, erlauben große technisch-methodologische Fortschritte es nun, Biodiversitätsforschung genomisch auszurichten. Damit geht auch eine Ausweitung der wissenschaftlichen Fragestellungen einher: So sind die gewonnenen Genomdaten für verschiedene Belange der Gesellschaft relevant – oft mit ganz konkretem Anwendungsbezug, zum Beispiel für die Entdeckung und Nutzung von Naturstoffen für neue Medikamente. Auch für die nachhaltige Verwendung und das Management biologischer Ressourcen bieten die genetischen Informationen neue Möglichkeiten.

„Seit dem Beginn der LOEWE-Förderung im Jahr 2018 haben wir rund 400 verschiedene Arten, darunter Bäume, Insekten und Säugetiere und Flechten, zum ersten Mal sequenziert. Die Analyse dieser Genome hat eine Vielzahl neuer Erkenntnisse geliefert, unter anderem zu Anpassungsleistungen an Umweltbedingungen, zur Produktion von Naturstoffen und zu evolutionären Entwicklungen. Parallel haben wir mit unserem eigenen Laborzentrum und einer leistungsstarken Bioinformatik Strukturen aufgebaut, die den Forschenden eine effiziente Erstellung und Auswertung ihrer Genomdaten ermöglicht. Damit sind wir in der zweiten Förderphase bestens aufgestellt, um insbesondere den Anwendungsbezug der Ergebnisse – von Natur- und Artenschutz bis zu medizinischen Anwendungen – herauszuarbeiten“, erläutert LOEWE-TBG-Koordinator und -Sprecher Prof. Dr. Axel Janke.

So konnten bereits in der ersten Förderphase anhand der Daten von 300 Buchen Abschnitte in den Genomen identifiziert werden, die die Trockenresistenz anzeigen, so dass in Zukunft ein gezielterer Forstbetrieb möglich wird. In den Genomen von 50 Giraffen vier verschiedener Arten aus dem gesamten Verbreitungsgebiet konnte kein Hinweis gefunden werden, dass sie sich miteinander paaren und dadurch hybridisieren. So erfolgt ein stärkerer Schutz durch die Giraffe Conservation Foundation. Die genomische Analyse von Tiergiften trägt dazu bei, neue Wirkstoffe für Arzneimittel aufzuspüren.

„In den kommenden drei Jahren steht die internationale Vernetzung im Mittelpunkt, sowohl mit großen Genominitiativen wie dem Earth BioGenome Project und dem European Reference Genome Atlas (ERGA), als auch mit Stakeholdern aus dem Anwendungsbereich. Wir möchten dabei die Erkenntnisse, vor allem aber auch das in unseren Projekten gewonnene ‚Know-how‘ nutzen, um die Bedeutung und Möglichkeiten der Biodiversitätsgenomik einem breiteren Kreis an Forschenden, anwendenden Institutionen und der interessierten Öffentlichkeit näher zu bringen. Mit den bewilligten Fördermitteln des Landes Hessen können wir LOEWE-TBG weiter als Zentrum eines lebendigen Netzwerks etablieren“, betont der stellvertretende TBG-Koordinator Prof. Dr. Steffen Pauls.

Prof. Dr. Klement Tockner, Generaldirektor der bei TBG federführenden Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, begrüßt die weitere Förderung des Zentrums sehr: „Mit der Forschung bei Senckenberg wollen wir einen zukunftsweisenden Beitrag zur Bewältigung der großen Herausforderungen des Anthropozäns leisten – des Zeitalters, in dem der Mensch zum prägenden Einflussfaktor auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Die äußerst aufschlussreichen genomischen Analysen des LOEWE-Zentrums TBG ermöglichen es dabei, den immensen Wert der biologischen Vielfalt für die Natur und für uns Menschen zu erfassen und zu verstehen. Das geschieht in enger Zusammenarbeit mit herausragenden Partnereinrichtungen. So wurden in den vergangenen drei Jahre hervorragende Forschungs-Synergien gebildet, die wir nun weiter ausbauen können und verstetigen wollen.“

Das gemeinsame Forschungszentrum LOEWE-TBG wurde von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, der Goethe-Universität Frankfurt, der Justus-Liebig-Universität Gießen und dem Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME initiiert. Weitere Partner sind das Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP und das Max- Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie (MPI-TM).

LOEWE-TBG wird seit 2018 von der Hessischen „Landes-Offensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz“ (LOEWE) finanziert. Mit diesem Forschungsförderungsprogramm setzt das Land Hessen seit 2008 wissenschaftspolitische Impulse und stärkt damit nachhaltig die hessische Forschungslandschaft.

Pressematerial

Im LOEWE-TBG-Laborzentrum wurden bisher rund 400 unterschiedliche Arten erstmalig analysiert, um Biodiversität für Grundlagen- und angewandte Forschung zugänglich zu machen. Foto: Sven Traenkner SGN

Die Analyse der Genome von 300 Buchen gab Einblick in ihre Trockenresistenz. Die Ergebnisse ermöglichen einen gezielteren Forstbetrieb. Foto: Markus Pfenninger