Wildes Bockenheim

„Wildes Bockenheim“ bringt mehr Natur in die Großstadt

BMBF-Forschungsinitiative und Senckenberg fördern gemeinsam mit Naturschutzverbänden und örtlichen Institutionen die Biodiversität


Am 22. April – passend zum internationalen Tag der Erde – stellte sich die Initiative „Wildes Bockenheim“ in einer Online-Veranstaltung mit Diskussionsrunde der Öffentlichkeit vor. Die von der BMBF-Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung gegründete Initiative möchte als Modellprojekt zeigen, wie sich biologische Vielfalt im städtischen Raum erhalten und fördern lässt.

„Wenn man über Artenvielfalt nachdenkt, denkt man vielleicht erst mal an Regenwälder oder die Serengeti“, sagte die Frankfurter Umweltdezernentin Rosemarie Heilig zur Eröffnung der Veranstaltung. „Aber es geht auch um die Artenvielfalt hier bei uns vor der Haustür.“ Tiere und Pflanzen können nur geschützt werden, indem man ihre Ökosysteme bewahrt. Deshalb sind vielfältig blühende Wiesen im Stadtgebiet so wichtig.

Volker Mosbrugger, Sprecher der FEdA, erinnerte daran, dass derzeit hundertmal mehr Arten aussterben als üblich – weil der Mensch immer mehr Landes- und Meeresflächen für seine Zwecke nutzt und dabei natürliche Lebensräume verändert. Aber auch der Klimawandel, Überdüngung sowie invasive Arten setzen den Ökosystemen des Planeten zu. Das bedrohe letztlich die Lebensgrundlage der ganzen Menschheit, so Mosbrugger. Die gute Nachricht sei jedoch: „Anders als beim Klimawandel können wir mit unseren Handlungen vor Ort einen unmittelbaren Effekt erzielen.“ Genau dies will die Initiative „Wildes Bockenheim“ demonstrieren und zunächst ausgehend vom Senckenberg-Areal die biologische Vielfalt Frankfurts fördern. Mit Nisthilfen für Insekten, Vögel und Fledermäuse sowie einer Sandfläche für bodenbrütende Insekten, die nahe dem Eingang zum Museum aufgeschüttet wird. An der Mertonstraße darf zudem ein Grünstreifen verwildern und so zu einer reichhaltigen Nahrungsquelle für Insekten und andere Wildtiere werden.

Einige der Partner, die der Initiative angehören, bringen bereits große Erfahrung beim Aufbau urbaner Biodiversität mit. Der BUND-Kreisverband Frankfurt legt seit vielen Jahren städtische Blumenwiesen an und pflegt das Rödelheimer Bahnhofsgrün. Der NABU Frankfurt, am Donnerstag vertreten durch den Vorsitzenden Volker Bannert, unterstützt unter anderem mit Nisthilfen die Ansiedlung von Störchen, Wanderfalken und Mauerseglern in der Stadt.

Der Einsatz für biologische Vielfalt verlaufe dabei nicht immer ohne Widerstand, berichten die Naturschutzverbände in der Diskussionsrunde vor rund 65 Teilnehmenden. Noch immer seien etwa manche Menschen nicht bereit, auf öffentlichen Flächen mehr Wildwuchs zu akzeptieren. Und bei der Pflege der Flächen fehle es an Verlässlichkeit, sagt John Dippell, der Vorsitzende des BUND-Kreisverbands: „Viele Dienstleister, die mit den Flächen betraut sind, nehmen leider noch wenig Rücksicht auf die Förderung der Artenvielfalt.“ So sollten Wiesen stets nur gestaffelt gemäht werden, damit Insekten ausreichend Nahrung vorfinden. „Stattdessen werden die meisten öffentlichen Wiesen im Juni auf einen Schlag weggemäht“, so Dippell.

Schon indem man heimische Wildpflanzen im eigenen Garten anpflanzt, den Balkon oder die Fensterbank erblühen lässt, kann man einen eigenen Beitrag leisten. Wer einen Garten hat, kann statt eines herkömmlichen Rasens einen Kräuterrasen oder eine Wiese anlegen – oder zumindest eine kleine Ecke verwildern lassen. Mit Stein- oder Totholzhaufen, Wasserstellen und Sandhügeln lassen sich ohne großen Aufwand Biotope schaffen.

„Mut zur Unordnung bietet Insekten und anderen Wildtieren die Möglichkeit, in der Stadt zu leben“, sagt auch Ina Mirel, die Vorsitzende der Klimaschutz-Initiative Riedberg e.V. Gemeinsam mit der Interessengemeinschaft zur Förderung des Riedberges e.V. trägt ihre Initiative die Idee von „Wildes Bockenheim“ über das namensgebende Viertel hinaus: Durch Wildblumenbeete und die Renaturierung einer Streuobstwiese auf dem Frankfurter Riedberg möchten Mirel und ihre Mitstreiter in dem noch jungen Stadtviertel neue Lebensräume und Brutflächen für Wildtiere schaffen. „Jede wilde Fläche zählt!“, so Mirel.

Das bestätigt auch Indra Starke-Ottich, die bei Senckenberg für die Koordination der Arbeitsgruppe Biotopkartierung zuständig ist. Seit 1985 untersuchen die Wissenschaftler*innen im Auftrag des Umweltamtes die Frankfurter Stadtnatur und ihre Veränderungen. „Nicht immer klappt alles – aber Blühstreifen haben definitiv einen Effekt“, erklärt Starke-Ottich. Daher mache ihr die zunehmende Flächenversiegelung in Frankfurt Sorgen: Große Brachen im Stadtgebiet seien in den letzten Jahren durch Bebauung verschwunden, ohne dass an anderer Stelle neuer Platz für Wildwuchs geschaffen worden sei. „Und wenn, können die Ausgleichsflächen meist nicht die gewünschte Funktion übernehmen“, ergänzt der NABU-Vorsitzende Volker Bannert. „Denn es braucht lange, bis eine neu geschaffene Biotopfläche dieselbe Qualität hat wie eine lange bestehende Brache.“

Die Initiative „Wildes Bockenheim“ setzt sich für Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt in Frankfurt am Main ein – im Stadtteil Bockenheim und darüber hinaus. Bislang sind in der Initiative die folgenden Institutionen und Vereine organisiert:

  • Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) – Zentrale Koordination
  • Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
  • BUND-Kreisverband Frankfurt
  • NABU Frankfurt am Main
  • Der Palmengarten und Botanische Garten der Stadt Frankfurt
  • ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung
  • BioFrankfurt – das Netzwerk für Biodiversität
  • Klimaschutz-Initiative Riedberg e.V.
  • PGNU – Planungsgesellschaft Natur & Umwelt