Schnarrschrecke

Verlust der Gefleckten Schnarrschrecke

Nicht Klima-, sondern Landnutzungswandel führt zum Verschwinden der Feldheuschrecken-Art


Senckenberg-Wissenschaftlerin  Marianna Simões hat mit einem internationalen Team das Verschwinden der Gefleckten Schnarrschrecke in Europa untersucht. Die vormals weit verbreiteten Insekten sind heute nur noch in wenigen europäischen Gebieten zu finden. Anders als erwartet ist dies keine Folge des globalen Klimawandels. In ihrer im Fachjournal „Biodiversity and Conservation“ erschienenen Studie führen die Forschenden das Aussterben vielmehr auf die massive Änderung der Landnutzung zurück.

Die Gefleckte Schnarrschrecke (Bryodemella tuberculata) ist laut der Roten Liste für bedrohte Tierarten in Deutschland vom Aussterben bedroht. „Noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war diese Art aus der Familie der Feldheuschrecken in ganz Europa und auch hier in Deutschland weitverbreitet“, erklärt Dr. Marianna Simões vom Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut in Müncheberg und fährt fort: „Heute finden wir die Insekten, die im Flug einen charakteristischen, schnarrenden Ton erzeugen, nur noch reliktisch in wenigen Landschaftsstrichen Europas.“

Simões hat gemeinsam mit einem russisch-chinesisch-deutschen Team die Gründe für den Rückgang der mit bis zu 39 Millimetern Körperlänge zu den größten Feldheuschrecken zählenden, Art untersucht. Insgesamt 651 Belege von Exkursionen, aus wissenschaftlichen Sammlungen und aus der Literatur haben die Wissenschaftler*innen hierfür ausgewertet. Dabei verglichen sie auch die Populationen in Europa mit denen in Zentralasien. „Während die europäischen Schnarrschrecken nahezu überall dramatische Rückgänge zu verzeichnen haben, sind die zentralasiatischen Bestände recht stabil. Wir wollten verstehen, warum dies so ist und wie wir den europäischen Schnarrschrecken beim Überleben helfen können“, ergänzt die Müncheberger Insektenforscherin.

Die genetischen Analysen des Teams zeigen, dass der Ursprung der grau-braunen Insekten in Asien liegt und die Tiere sich von dort in ganz Europa ausbreiteten. Simões erläutert: „Gefleckte Schnarrschrecken leben bevorzugt in vegetationsarmen, sandigen oder steinigen Gebieten wie in Heiden oder an unverbauten Flussufern – genau diese Lebensräume gibt es aber durch die Umgestaltung und Nutzung durch den Menschen in Europa kaum noch. Unsere Daten zeigen, dass der Landnutzungswandel der entscheidende Faktor für das Aussterben der Tiere ist.“ Den Klimawandel schließen die Forschenden dagegen als Ursache aus – laut der Studie gibt es trotz erhöhter Temperaturen noch ausreichend viele klimatisch passende Habitate für die Insekten.

Um einem unwiederbringlichen Verlust der Schnarrschrecken entgegenzuwirken empfehlen die Wissenschaftler*innen in ihrer Studie den strikten Schutz der noch verbliebenen Lebensräume sowie Wiederansiedlungsprojekte. „Die Gefleckte Schnarrschrecke ist eine von vielen Arten, die durch die anthropogene Zerstörung ihres Lebensraums verschwindet – ein Flaggschiff für eine ganze Organismengruppe! Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse dazu beitragen können diese Arten zu schützen bevor sie für immer verloren gehen“, schließt Simões.

Publikation: Dey, LS., Simões, M.V.P., Hawlitschek, O. et al. Analysis of geographic centrality and genetic diversity in the declining grasshopper species Bryodemella tuberculata (Orthoptera: Oedipodinae). Biodivers Conserv 30, 2773–2796 (2021). https://doi.org/10.1007/s10531-021-02221-8

Pressematerial

Schnarrschrecke

In Deutschland nur noch in der Lüneburger Heide zu finden: Die Gefleckte Schnarrschrecke. Foto: Inci Livia Baez