„Der quakt doch anders…“ – Fast 300 Arten neu beschrieben

2021 wurden 296 Arten von Senckenberg-Forschenden neu entdeckt oder taxonomisch revidiert – darunter ein „hessischer Frosch“


Senckenberg-Wissenschaftler*innen von elf Forschungs-Standorten haben im zurückliegenden Jahr 296 Arten neu beschrieben. Dabei stammen nicht alle Neuentdeckungen von Forschungsreisen oder Exkursionen; auch in vermeintlich bekannten Sammlungsschränken gab es immer wieder Überraschungen – sei es wegen der Revisionen ganzer Gattungen oder wegen des Einsatzes neuer Analysemethoden. Den Hauptanteil der „neuen“ Arten stellen landlebende, rezente Tiere und Pflanzen – unter ihnen befindet sich ein „hessischer“ Frosch aus Myanmar.

Mit einer Körpergröße von 27 bis 33 Millimetern ist Phrynoglossus myanhessei ein sehr kleiner Frosch. Die bodenbewohnende Amphibie lebt in Feuchtgebieten Myanmars und ist dabei nicht wählerisch: Man findet sie in überschwemmten Reisfeldern, Wiesen und Auwäldern sowie am Ufer von wassergefüllten Spurrillen und Straßengräben. „Schon im Juni 2017 begegnete der Frosch unserem seit mehreren Jahren in Myanmar tätigen Herpetologen Gunther Köhler“, erzählt Prof. Dr. Andreas Mulch, Direktor des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt und fährt fort: „Aufgrund seiner äußerlichen Ähnlichkeit wurde er damals aber noch der weitverbreiteten Art Phrynoglossus martensii zugerechnet. Erst später fiel auf, dass diese Tiere völlig anders quaken als die Frösche aus Myanmar. Eine vergleichende morphologische und molekulargenetische Analyse bestätigte, dass es sich bei den Populationen in Myanmar um eine noch unbeschriebene, also für die Wissenschaft neue Tierart handelte.“ Köhler und ein internationales Team beschrieben die Art daher im Februar vergangenen Jahres neu und gaben ihm den Namen Phrynoglossus myanhessei. „Myan“, weil der Frosch, soweit bekannt, in Myanmar endemisch ist, der zweite Teil des Namens, „hessei“ wurde in Anerkennung der langjährigen Unterstützung und Finanzierung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung durch das Bundesland Hessen gewählt.

Der winzige Frosch ist eine von insgesamt 296 Arten, die von Senckenberger*innen im vergangenen Jahr neu beschrieben wurden. 208 dieser Arten sind rezent, 88 bereits ausgestorben und nur als Fossil überliefert. Insgesamt leben oder lebten 210 der Tiere und Pflanzen an Land, vier im Süßwasser und 82 in den Weltmeeren. Das Gros der neuen Arten (114) stammt aus Europa, darauf folgen Asien (73) sowie Afrika (41); die restlichen Tiere und Pflanzen wurden in der Antarktis, in Süd- und Nordamerika sowie in den Weltmeeren gefunden. Unter letztgenannten befindet sich auch eine seltene neue Austernart aus Malaysia. Die als Crassotrea (Magallana) saidii neu beschriebene Art wurde von Senckenberg-Meeresforscherin Dr. Julia Sigwart im Rahmen eines Forschungsprojektes mit Wissenschaftler*innen der Universiti Putra entdeckt, das darauf abzielt, die Austernpopulation im Süden der Malaiischen Halbinsel zu vergrößern. Obwohl die Auster lokalen Fischer*innen schon seit den 1860er-Jahren bekannt war, wurde sie bis zu Sigwarts Neubeschreibung anhand einer DNA-Untersuchung von der Wissenschaft zu einer ähnlichen, häufig vorkommenden Art gezählt.

„Die Taxonomie und die mehr als 40 Millionen Objekte der wissenschaftlichen Sammlungen bilden die Grundlage für unsere Forschung bei Senckenberg. Jede der neuentdeckten Arten hilft uns, die Natur und ihre Zusammenhänge, das System Erde-Mensch, besser zu verstehen und zu erhalten – zu unser aller Wohlergehen“, schließt Mulch.

Publikationen:
Köhler G, Vargas J, Than NL, Schell T, Janke A, Pauls SU, Thammachoti P (2021) A taxonomic revision of the genus Phrynoglossus in Indochina with the description of a new species and comments on the classification within Occidozyginae (Amphibia, Anura, Dicroglossidae). Vertebrate Zoology 71: 1-26. https://doi.org/10.3897/vz.71.e60312

Sigwart, J.D., Wong, N.L.W.S. & Esa, Y. Global controversy in oyster systematics and a newly described species from SE Asia (Bivalvia: Ostreidae: Crassostreinae). Mar. Biodivers. 51, 83 (2021). https://doi.org/10.1007/s12526-021-01203-x

Pressematerial

Phrynoglossus myanhessei – eine hessische Entdeckung in Myanmar. Foto: Senckenberg

Die neu als Crassotrea (Magallana) saidii beschriebene Auster war lokalen Fischer*innen schon lange bekannt. Foto: Leena Wong